Realschule Plus - Daun Vulkaneifel - Kooperative Realschule

Die Pflicht der Erinnerung

Der Luxemburger Gerd Klestadt hat auf Einladung unserer Schule als einer der letzten jüdischen Holocaust-Überlebenden am 18. Januar im Forum Daun vor rund 400 Jugendlichen über seine Leidenszeit gesprochen. Die jungen Leute schenkten dem 85-Jährigen ihre höchste Aufmerksamkeit. Und eine Schülerin sagte: „Ich bewundere Sie.“

Es war nun der zweite Besuch des Zeitzeugen Gerd Klestadt bei Dauner Schülern anlässlich des Jahrestags 27. Januar nach seinem Bericht vor Zehntklässlern unserer Schule im vorigen Jahr. „Eine solche Begegnung wird immer seltener zustande kommen“, begründete Thomas Follmann als der stellvertretende Schulleiter seine Motivation, Klestadt noch einmal einzuladen und ihn gleichzeitig einem größeren Publikum zugänglich zu machen. So waren - unter der Schirmherrschaft von Stadtbürgermeister Martin Robrecht und mit finanzieller Unterstützung der Volksbank RheinAhrEifel -  nun auch die Zwölftklässler der Fachoberschule (FOS) sowie die Zehnt- bis Zwölftklässler der beiden Dauner Gymnasien mit dabei. Macht 400 junge Menschen, die dem Zeitzeugen fast zwei Stunden ihre ungeteilte Aufmerksamkeit widmeten.
   „Man kann es nicht erzählen, aber man darf es nicht verschweigen“, zitierte Gerd Klestadt den Schriftsteller und Friedensnobelpreisträger Elie Wiesel. Er erklärte: „Meinen ursprünglichen Hass auf alles Deutsche gibt es nicht mehr. Doch ich möchte niemals in diesem Land leben.“ Er versicherte den Schülern: „Ihr seid schuldlos“ und räumte ein: „Ihr habt eine moralische Verantwortung.“ Er sprach von der „Pflicht der Erinnerung“ und eröffnete seinen Vortrag mit vier für den Holocaust typischen Fotomotiven: Judenstern, Leichenberge, brennende Synagoge, Adolf Hitler an der Seite von Heinrich Himmler.
    Dann erzählte er die Geschichte seiner zerstörten Jugend. Er war als Kind des Juristen Bertholdt Klestadt und seiner Frau Ruth 1932 in wohlhabenden Verhältnissen in Düsseldorf auf die Welt gekommen. 1936 floh die inzwischen vierköpfige Familie in die Niederlande. 1943 erfolgte dort die Deportation in das Durchgangslager Westerbork. Am 1. Februar 1944 begann der Abtransport der Klestadts in das Konzentrationslager (KZ) Bergen-Belsen. Klestadt zeigte ein Klassenfoto: Von 30 Schülern überlebten nur er und ein anderer den Holocaust. Klestadt erzählte sein am meisten traumatisches Erlebnis: Eines Morgens war er in der KZ-Baracke neben seinem toten Vater aufgewacht.
   Am 7. April 1945 wurden er und seine Mutter und sein jüngerer Bruder Peter in einem Zug, dem die Kohle ausgegangen war, auf freiem Feld nahe Magdeburg von Amerikanern befreit. Nach dem Kriegsende machte Gerd Klestadt in den Niederlanden sein Abitur und studierte Landwirtschaft. Er arbeitete in Israel, Amerika, Südafrika und ließ sich schließlich in Luxemburg nieder, wo er mit seiner Frau eine eigene Familie mit zwei Töchtern gründete.
  Seit 2001 spricht Klestadt als Zeitzeuge vor Schülern und Studenten in Deutschland und im benachbarten Ausland. Um die 15.000 Zuhörer hatte er bisher. Wie in Daun legt er denen ans Herz: „Mischt euch ein, macht euch nützlich, zieht nicht die Gardinen zu, wenn etwas nicht in Ordnung ist.“ Dazu gibt er jedem eine bunte Glasmurmel mit. „Tragt sie bei euch, damit ihr nicht vergesst, gegen Unrecht anzugehen“, sagt er. Und gibt auf seine Frage, ob wir aus der Geschichte gelernt haben, selbst die Antwort „nix!“ – mit Blick auf  Völkermorde und Bürgerkriege in Ruanda und im Sudan, im Kongo, in Syrien und Somalia und wie die Brennpunkte der Welt sonst noch heißen.
   „Ich bewundere Sie dafür, dass Sie so stark sind“, sagt am Ende Alina Pertzborn aus Brockscheid ins Mikrofon. Die 17-Jährige ist Schülerin der zwölften FOS-Klasse, und sie sagt außerdem unter dem Beifall des ganzen Saals: „Ich spreche Ihnen meine Hochachtung und meinen Respekt dafür aus, dass Sie sich nach allem, was Sie in Ihrer Kindheit und Jugend gesehen und erlebt haben, vor die Menschen stellen und von dem Unaussprechlichen berichten.“

INFO
Seit 1996 ist der 27. Januar als Tag des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus bundesweit gesetzlich als Gedenktag verankert. Er ist als Jahrestag bezogen auf den 27. Januar 1945, den Tag der Befreiung des Vernichtungslagers Auschwitz-Birkenau und der beiden anderen KZ Auschwitz durch die Rote Armee. Die Vereinten Nationen erklärten den 27. Januar im Jahr 2005 zum Internationalen Tag des Gedenkens an die Opfer des Holocaust.

Foto: (von links) Stadtbürgermeister und Schirmherr Martin Robrecht, Volksbank-Regionalmarktvertreter Thomas Klassmann und Mitarbeiterin Sonja Heintz sowie stellvertretender Schulleiter Thomas Follmann
Foto: (von links) Stadtbürgermeister und Schirmherr Martin Robrecht, Volksbank-Regionalmarktvertreter Thomas Klassmann und Mitarbeiterin Sonja Heintz sowie stellvertretender Schulleiter Thomas Follmann
Foto: Thomas Klassmann, Regionalmarktdirektor des Sponsors Volksbank RheinAhrEifel, hielt ein Grußwort
Foto: Thomas Klassmann, Regionalmarktdirektor des Sponsors Volksbank RheinAhrEifel, hielt ein Grußwort
Foto: Dauns Stadtbürgermeister Martin Robrecht war Schirmherr der Veranstaltung und hielt ein Grußwort
Foto: Dauns Stadtbürgermeister Martin Robrecht war Schirmherr der Veranstaltung und hielt ein Grußwort
Foto: (von links) Stadtbürgermeister und Schirmherr Martin Robrecht, stellvertretender Schulleiter Thomas Follmann, Referent Gerd Klestadt sowie Sonja Heintz und Regionalmarktdirektor Thomas Klassmann von der Volksbank RheinAhrEifel
Foto: (von links) Stadtbürgermeister und Schirmherr Martin Robrecht, stellvertretender Schulleiter Thomas Follmann, Referent Gerd Klestadt sowie Sonja Heintz und Regionalmarktdirektor Thomas Klassmann von der Volksbank RheinAhrEifel
Foto: Gerd Klestadt als Junge
Foto: Gerd Klestadt als Junge
Foto: Während des Vortrags brannte eine Kerze; daneben ein Glas mit aus dem Vernichtungslager Sobibor stammender Erde und Asche, darauf ein Judenstern
Foto: Während des Vortrags brannte eine Kerze; daneben ein Glas mit aus dem Vernichtungslager Sobibor stammender Erde und Asche, darauf ein Judenstern
Foto: Die Schüler sind höchst aufmerksam während des gesamten Vortrags
Foto: Die Schüler sind höchst aufmerksam während des gesamten Vortrags
Foto: Die Schüler erhalten nach dem Vortrag alle bunte Glasmurmeln mit Klestadts Appell, Unrecht nicht zu dulden
Foto: Die Schüler erhalten nach dem Vortrag alle bunte Glasmurmeln mit Klestadts Appell, Unrecht nicht zu dulden
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